Objekt:

 Figurine, Ton, 18,8 x 7,1 x 7,1 cm.

Datierung:

 Neubabylonische Zeit-Persische Zeit (600-450).

Herkunft:

 Phönizien (und phönizische Einflussgebiete im östlichen Mittelmeer).

Sammlung:

 Fribourg, Sammlungen BIBEL+ORIENT, VFig 2002.9.

Darstellung:

 Die Vorderseite der Figur ist aus einem Model gepresst, die Rückseite von Hand hinzugefügt. Die beiden Teile sind je etwa 8-10 mm dick. Die Figur ist hohl und unten offen. Die Frau ist auf einem schmalen, hohen Thron mit abgeschrägter Seitenlehne dargestellt, so dass sie nahezu zu stehen scheint. Tief eingeknickt zu sitzen wäre angesichts ihres hochschwangeren Zustands auch nicht möglich. Die (nur undeutlich sichtbaren) Füße ruhen auf einem rechteckigen Schemel. Ihre linke Hand hängt schräg nach unten und liegt auf dem linken Knie, die Rechte, waagrecht angewinkelt, auf dem oberen Teil des Bauches. Die Brüste sind klein, aber treten kräftig hervor. Sie trägt ein bis auf die Knöchel reichendes, glattes Kleid mit dreiviertellangen Ärmeln. Das Gesicht, von dem nur die Nase plastisch hervortritt, umrahmt ein Schleier, der beidseitig bis auf die Schultern herabfällt. Die überdimensioniert großen Ohren (?) sind freigelassen. Links und rechts über den Ohren ein Haarknäuel.

Diskussion:

 Der Statuettentyp der sitzenden Schwangeren kommt in verschiedenen Varianten vor. Die häufigste Variante ist die der Sitzenden, die nichts hält. Seltener sind die Varianten mit Handtrommel, mit Fächer oder mit Kind an der Brust (Nunn 2000: 54). Der Typ ist zuerst von William Culican unter dem Titel «Dea Tyria Gravida» («Die Schwangere Tyrische Göttin») beschrieben worden (William Culican: 1969). Die Einschränkung auf Tyrus ist problematisch und so redet man heute einfach von der «Dea Gravida». Es ist aber fraglich, ob es sich um eine Göttin handelt. Zwar sitzt sie auf einem hohen Stuhl mit den Füßen auf einem Schemel, aber diese sind, soweit ich sehe, nie auf ein Podest gestellt. Auch Handtrommel und Fächer, die als Attribute vorkommen, sind eher solche einer sterblichen Frau als einer Göttin. Passender für eine Verehrerin als für eine Göttin ist auch die Demutshaltung. In Sarepta wurden die Figuren in einem Heiligtum gefunden, in Amrit, Tell Machmisch und Tell Sippor in Favissen, d. h. in Entsorgungsgruben mit obsolet gewordenem Material aus Heiligtümern. Wahrscheinlich handelt es sich in der Regel um Figuren, die von Schwangeren in Heiligtümer gestiftet wurden. Sie waren wohl mit der Bitte um eine glückliche Geburt verbunden. Dass auch die Göttin selbst in dieser Haltung dargestellt wurde, ist nicht ganz ausgeschlossen. Älteste Beispiele könnten schon aus dem 8. oder aus dem 7. Jh. stammen (Kition; Sarepta). Populär waren diese Figuren aber erst im 6. und 5. Jh. v. Chr. (Gubel 1987a: 93-100). Eine lange Reihe biblischer Geschichten beginnt mit der Feststellung, dass eine Frau schwanger wurde, oder der Ankündigung, dass eine schwanger werden wird (Genesis 4,1; 16,4; 21,2; 25,21; Exodus 2,2; Richter 13,5.7; 1 Samuel 1,20; Jesaja 7,14; Matthäus 1,23): «Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben» (Hermann Hesse, Stufen).

Parallelen:

Spycket 2000: Nr. 141-142: Kition in Zypern; Nunn 2000: 53-55: sie wurden in Phönizien und in den phönizischen Einflussgebieten in der Levante gefunden; viele stammen aus der Gegend von Tyrus, weitere aus Charaïb, Sarepta, Byblos, Amrit und Tell Sukas (nördlichster Fundort). Fundorte südlich von Tyrus sind u. a. Achsib, Tell Abu Hawam, Bet Schean (James 1966: Fig. 116,7) und Tell es-Saidije, Tell Machmisch, Tell es-Safi und Tell Sippor.

Bibliographie:

Keel 2003a: Nr. II:22; Keel/Schroer 2004: 218f, Nr. 201; Ramseyer et al. 2004: Nr. 033 (unten); Keel 2008: 59, Nr. 63.

DatensatzID:

889

Permanenter Link:

  http://www.bible-orient-museum.ch/bodo/details.php?bomid=889