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start: judäisches Bergland [Jerusalmer Handel]
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start: Die vollständig handmodellierte, aus grobem Ton gefertigte und bei relativ niedriger Temperatur gebrannte Figurine besteht aus zwei Teilen: Das Pferd hat einen flachen, breiten Körper und steht auf pfeilerartigen Beinen; Hals und Kopf haben dagegen ein fast rundes Profil, die Schnauze ist leicht flachgedrückt, die grossen Ohren und der Stummelschwanz wurden angesetzt und sind heute teilweise abgebrochen. Offensichtlich handelt es sich um eine stark stilisierte Massenfertigung, die mit einfachsten Gestaltungsmitteln arbeitet. Das Gleiche gilt vom Reiter, der in einem zweiten Durchgang modelliert und mit dem Tierkörper verbunden wurde: Sein Körper ist brettartig flach, die Arme sind durch flache Tonwülste gebildet, deren Enden (Hände) an den bereits lederharten Kopf gedrückt und dadurch noch einmal verbreitert wurden. Der Körper des Reiters geht gleitend in den Kopf über; der Töpfer bog den Rumpf leicht nach hinten, um den Hinterkopf anzudeuten, und drückte dann die Vorderseite mit Daumen und Zeigefinder zusammen, um mit einem einzigen Griff Kinn, Nase und Augenhöhlen zu stilisieren (sog. ‹pinched nose›- oder ‹Vogelkopf›-Typ).
start: Dank zahlreicher, teilweise jüngerer Parallelen (vgl. Keel/Staubli 2001: Kat. 18) können wir sicher sein, dass die Figurine einen männlichen Reiter darstellt. Bei aller Stilisierung ist bemerkenswert, dass der Mann nicht – wie häufig – viel zu gross dargestellt wurde, sondern die Proportionen von Tier und Mensch relativ gut getroffen sind. Pferde- und Reiterfigurinen dieser Art gehören zum Grundrepertoire der judäischen Koroplastik. Sie bilden neben den Frauenfigurinen die zweitwichtigste Gruppe – aus kontrollierten Ausgrabungen im Bereichd es alten Juda sind bis heute über 300 Exemplare bekannt geworden – und können als typisch männliches Statussymbol angesprochen werden. Meistens tauchen diese Figurinen in Häusern, manchmal auch in Gräbern des 8. und 7. Jh. auf, wobei in Palästina/Israel offenbar nie zwei oder mehr Reiter gleichzeitig miteinander gefunden wurden. Pferdedarstellungen sind häufiger als irgendwelche andere Tierfigurinen (Bovinen, Capriden usw.). Diese Verteilung spiegelt offensichtlich nicht die realen Nutztieranteile in der altjudäischen Gesellschaft wider, sondern muss durch die symbolische Bedeutung und Wertschätzung des Pferdes erklärt werden. Wie wir aus assyrischen, ägyptischen und biblischen Quellen schliessen können, ist die Reiterei im alten Orient erst relativ spät bekannt geworden, nachdem sie bei den Steppenvölkern Zentralasiens und im iranischen Hochland wohl schon länger bekannt war (vgl. zu Mannäern, Kimmeriern und Skythen Jeremia 6,23; 50,42; 51,27). Waren Pferde in den Heeren des alten Orients bis ins 10. Jh. v. Chr. fast ausschliesslich als Zugtiere für Prunk- und Streitwagen verwendet worden, so bildeten ab dem 9. Jh. die Urartäer und Mannäer in Armenien und Aserbaidschan, die Aramäer in Syrien und die Nubier der 25. Dynastie in Ägypten (Jesaja 31,1) eigene Reiterkontingente aus, die dank ihrer grösseren Beweglichkeit in unterschiedlichen Terrains oftmals die schlachtentscheidende Truppengattung stellten. Ausserdem konnten Reiter auch als Schnellboten eingesetzt werden (2 Könige 9,18; Sacharja 1,8ff). Den assyrischen Königen blieb nichts anderes übrig, als dem Beispiel der Peripherie zu folgen, wobei sie teilweise Reiterkontingente von unterworfenen Völkern in ihr eigenes Heer integrierten. Seit dem 7. Jh. ist auch die Jagdreiterei ikonographisch bezeugt (vgl. Ijob 39,18), und Reiten wurde nun zu einem Element grossköniglicher Selbstdarstellung (Reliefs Assurbanipals in Ninive).
In Israel scheint die Kavallerie nicht recht heimisch geworden zu sein: Noch im späten 8. Jh. deportierte der Assyrerkönig Sargon II. nur Streitwagenkontingente, keine Reiter aus Samaria. Ob Juda in vorexilischer Zeit über eine eigene Reitertruppe verfügte, ist fraglich (vgl. 2 Könige 18,23 = Jesaja 36,8; 30,16; Hosea 14,4; Amos 2,15). Reiter waren eher eine ebenso gefürchtete wie bewunderte Spezialität fremder Grossmächte (Jesaja 31,1-3; Ezechiel 23,5-6.12.23-24), die man sich selber nur mit Mühe leisten konnte. Wie sind dann aber die judäischen Reiterfigurinen zu deuten? Kann man sie mit den Panzermodellen vergleichen, mit denen palästinensische Kinder heute Krieg spielen, wenn sie nicht gerade Steine werfen? In der Tat dürfte die Beliebtheit dieser Figurinen im Juda des 8. und 7. Jh. mit der Hochkonjunktur der ägyptischen und assyrischen Kavallerie jener Zeit zusammenhängen. Darüber hinaus scheinen die Figurinen aber eine Rolle in der Familienfrömmigkeit gespielt zu haben, vielleicht als eine Art ‹Schutzengel› (vgl. zum «Boten JHWHs» 2 Könige 1,3.15 19,35) oder Repräsentanten des «Himmelsheeres» (vgl. JHWHs Heeresmusterung in Jesaja 13,3-5). Um die Darstellung eines Gottes kann es sich kaum handeln, da kriegerische Gottheiten in der Levante zu jener Zeit entweder zu Fuss, auf einem Stier oder auf Keruben stehend oder gar als Wagenfahrer, aber nie als Reiter zu Pferd vorgestellt wurden. Christoph Uehlinger
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Objekt: Figurine, Terrakotta, 15,4 x 7,2 x 15 cm.
Datierung: EZ IIB-EZ IIC (Ende 8. - Mitte 7. Jh.).
Herkunft: Palästina/Israel (judäisches Bergland [Jerusalmer Handel]).
Sammlung: Fribourg, Sammlungen BIBEL+ORIENT, VFig 1999.5.
Darstellung: Die vollständig handmodellierte, aus grobem Ton gefertigte und bei relativ niedriger Temperatur gebrannte Figurine besteht aus zwei Teilen: Das Pferd hat einen flachen, breiten Körper und steht auf pfeilerartigen Beinen; Hals und Kopf haben dagegen ein fast rundes Profil, die Schnauze ist leicht flachgedrückt, die grossen Ohren und der Stummelschwanz wurden angesetzt und sind heute teilweise abgebrochen. Offensichtlich handelt es sich um eine stark stilisierte Massenfertigung, die mit einfachsten Gestaltungsmitteln arbeitet. Das Gleiche gilt vom Reiter, der in einem zweiten Durchgang modelliert und mit dem Tierkörper verbunden wurde: Sein Körper ist brettartig flach, die Arme sind durch flache Tonwülste gebildet, deren Enden (Hände) an den bereits lederharten Kopf gedrückt und dadurch noch einmal verbreitert wurden. Der Körper des Reiters geht gleitend in den Kopf über; der Töpfer bog den Rumpf leicht nach hinten, um den Hinterkopf anzudeuten, und drückte dann die Vorderseite mit Daumen und Zeigefinder zusammen, um mit einem einzigen Griff Kinn, Nase und Augenhöhlen zu stilisieren (sog. ‹pinched nose›- oder ‹Vogelkopf›-Typ).
Diskussion: Dank zahlreicher, teilweise jüngerer Parallelen (vgl. Keel/Staubli 2001: Kat. 18) können wir sicher sein, dass die Figurine einen männlichen Reiter darstellt. Bei aller Stilisierung ist bemerkenswert, dass der Mann nicht – wie häufig – viel zu gross dargestellt wurde, sondern die Proportionen von Tier und Mensch relativ gut getroffen sind. Pferde- und Reiterfigurinen dieser Art gehören zum Grundrepertoire der judäischen Koroplastik. Sie bilden neben den Frauenfigurinen die zweitwichtigste Gruppe – aus kontrollierten Ausgrabungen im Bereichd es alten Juda sind bis heute über 300 Exemplare bekannt geworden – und können als typisch männliches Statussymbol angesprochen werden. Meistens tauchen diese Figurinen in Häusern, manchmal auch in Gräbern des 8. und 7. Jh. auf, wobei in Palästina/Israel offenbar nie zwei oder mehr Reiter gleichzeitig miteinander gefunden wurden. Pferdedarstellungen sind häufiger als irgendwelche andere Tierfigurinen (Bovinen, Capriden usw.). Diese Verteilung spiegelt offensichtlich nicht die realen Nutztieranteile in der altjudäischen Gesellschaft wider, sondern muss durch die symbolische Bedeutung und Wertschätzung des Pferdes erklärt werden. Wie wir aus assyrischen, ägyptischen und biblischen Quellen schliessen können, ist die Reiterei im alten Orient erst relativ spät bekannt geworden, nachdem sie bei den Steppenvölkern Zentralasiens und im iranischen Hochland wohl schon länger bekannt war (vgl. zu Mannäern, Kimmeriern und Skythen Jeremia 6,23; 50,42; 51,27). Waren Pferde in den Heeren des alten Orients bis ins 10. Jh. v. Chr. fast ausschliesslich als Zugtiere für Prunk- und Streitwagen verwendet worden, so bildeten ab dem 9. Jh. die Urartäer und Mannäer in Armenien und Aserbaidschan, die Aramäer in Syrien und die Nubier der 25. Dynastie in Ägypten (Jesaja 31,1) eigene Reiterkontingente aus, die dank ihrer grösseren Beweglichkeit in unterschiedlichen Terrains oftmals die schlachtentscheidende Truppengattung stellten. Ausserdem konnten Reiter auch als Schnellboten eingesetzt werden (2 Könige 9,18; Sacharja 1,8ff). Den assyrischen Königen blieb nichts anderes übrig, als dem Beispiel der Peripherie zu folgen, wobei sie teilweise Reiterkontingente von unterworfenen Völkern in ihr eigenes Heer integrierten. Seit dem 7. Jh. ist auch die Jagdreiterei ikonographisch bezeugt (vgl. Ijob 39,18), und Reiten wurde nun zu einem Element grossköniglicher Selbstdarstellung (Reliefs Assurbanipals in Ninive).
In Israel scheint die Kavallerie nicht recht heimisch geworden zu sein: Noch im späten 8. Jh. deportierte der Assyrerkönig Sargon II. nur Streitwagenkontingente, keine Reiter aus Samaria. Ob Juda in vorexilischer Zeit über eine eigene Reitertruppe verfügte, ist fraglich (vgl. 2 Könige 18,23 = Jesaja 36,8; 30,16; Hosea 14,4; Amos 2,15). Reiter waren eher eine ebenso gefürchtete wie bewunderte Spezialität fremder Grossmächte (Jesaja 31,1-3; Ezechiel 23,5-6.12.23-24), die man sich selber nur mit Mühe leisten konnte. Wie sind dann aber die judäischen Reiterfigurinen zu deuten? Kann man sie mit den Panzermodellen vergleichen, mit denen palästinensische Kinder heute Krieg spielen, wenn sie nicht gerade Steine werfen? In der Tat dürfte die Beliebtheit dieser Figurinen im Juda des 8. und 7. Jh. mit der Hochkonjunktur der ägyptischen und assyrischen Kavallerie jener Zeit zusammenhängen. Darüber hinaus scheinen die Figurinen aber eine Rolle in der Familienfrömmigkeit gespielt zu haben, vielleicht als eine Art ‹Schutzengel› (vgl. zum «Boten JHWHs» 2 Könige 1,3.15 19,35) oder Repräsentanten des «Himmelsheeres» (vgl. JHWHs Heeresmusterung in Jesaja 13,3-5). Um die Darstellung eines Gottes kann es sich kaum handeln, da kriegerische Gottheiten in der Levante zu jener Zeit entweder zu Fuss, auf einem Stier oder auf Keruben stehend oder gar als Wagenfahrer, aber nie als Reiter zu Pferd vorgestellt wurden. Christoph Uehlinger.
Keel/Staubli 2001: Keel O./Staubli Th., 2001, «Im Schatten deiner Flügel». Tiere in der Bibel und im Alten Orient, Freiburg Schweiz.
Parallelen: Keel/Uehlinger 1992: § 198-200; Heidorn 1997; Lemaire 1998; Uehlinger 2001a: zur Reiterei im 8./7. Jh. v. Chr. (mit Literaturangaben).
Heidorn 1997: Heidorn L.A., 1997, The Horses of Kush: JNES 56, 105-114.
Keel/Uehlinger 1992: Keel O./Uehlinger Ch., 1992, ²1993, ³1995, ⁴1998, ⁵2001 (erweiterte Auflage), 62010 (Reproduktion der 5. Auflage), Göttinnen, Götter und Gottessymbole. Neue Erkenntnisse zur Religionsgeschichte Kanaans und Israels aufgrund bislang unerschlossener ikonographischer Quellen (QD 134), Freiburg i.Br.
Lemaire 1998: Lemaire A., 1998, Chars et cavaliers dans l’ancien Israël: Transeuphratène 15, 165-182.
Uehlinger 2001a: Uehlinger Ch., 2001, Art. Reiter, Reiten, in: Görg M., Hg., Neues Bibel-LexikonZürich, 3:340-341.
Bibliographie: Keel/Staubli 2001: 39f, Nr. 17.
Keel/Staubli 2001: Keel O./Staubli Th., 2001, «Im Schatten deiner Flügel». Tiere in der Bibel und im Alten Orient, Freiburg Schweiz.
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