Objekt:

 Figurine, Bronze, 17,2 x 4,4 x 12,4 cm.

Datierung:

 SB IIA-SB IIB (1400-1150) (noch in der Eisenzeit I [12./11. Jh. v. Chr.] in Gebrauch).

Herkunft:

 Dahret et-Tawile („Bull-Site“; östlich von Qabatiya im Bergland nördlich von Samaria).

Sammlung:

 Fribourg, Sammlungen BIBEL+ORIENT, VRep 1999.4.

Darstellung:

 Die im Wachsausschmelverfahren hergestellte Bronzefigurine zeigt eindeutig ein Buckelrind (Bos indicus), wie es noch um 700 v. Chr. auf einem assyrischen Relief zu sehen ist, das die Zwangsemigration von Judäern darstellt. Der Körper des Rindes ist unrealistisch flach, fast brettartig geformt, davon abgesehen sind die anatomischen Details gut getroffen: Die Kruppe, um die der kleine Schwanz gelegt ist, wirkt ebenso kantig wie der Buckel; beide gehen direkt in die feinen Beine über, die sorgfältig geformt sind und in gespaltenen Hufen enden. An der Verbindung von Beinen und Buckel bzw. Kruppe zeigt sich am deutlichsten, dass das Modell zunächst in Ton oder Wachs gebildet worden ist. Der relativ leichte Kopf ist mit der breiten Stirn, den kleinen, seitlich abstehenden Ohren und den symmetrisch gebogenen Hörnern gut proportioniert; die runden Augenhöhlen dürften ursprünglich eine weisse Einlage enthalten haben. Mund und Nüstern sind durch eine Linie und zwei kleine Löchlein ebenso leicht markiert wie der Anus. Diskret sind die Hoden zwischen den Hinterbeinen und der Penis am Bauch angedeutet; es handelt sich also um einen Stier, wobei die Proportionen des Tieres eher an einen Jungstier (hebräisch ˓egæl) als an einen alten Bullen (hebräisch schor oder abbir) denken lassen. Die Hinterbeine stehen ungefähr parallel, die Vorderbeine sind fest nach vorne gestemmt: Das Tier ist in einer Haltung der Aufmerksamkeit dargestellt und vermittelt einen Eindruck, der zwischen würdiger Ruhe und jugendlich-vitalem Übermut oszilliert.

Diskussion:

 Die Bronzefigurine wurde 1978 zufällig auf der Oberfläche eines in der Gegend des alten Dotan gelegenen Hügelrückens gefunden; seither wird der Ort kurzerhand ‹Bull site› genannt. Ein kurzer Survey im selben Jahr und Ausgrabungen 1981 legten eine fast runde, mit einer Steinmauer umgebene Anlage von 21-23 m Durchmesser frei, die als regionales Freilichtheiligtum interpretiert wird. Darin fand sich u.a. ein grosser aufgerichteter Stein, eine sogenannte Massebe, mit einem gepflasterten Fussboden davor. Die Massebe dürfte den hier verehrten Gott repräsentieren (El, JHWH – vgl. Gen 28 35,20 u. ö. – oder Baal?). Die Figurine von Dhahrat et-Tawileh ist die grösste je in der Levante gefundene Stierbronze. Sehr wahrscheinlich handelt es sich um ein Kultbild; wie sich dieses zur Massebe verhielt, ob es denselben oder einen anderen Gott repräsentierte, wissen wir nicht. Umstritten ist die Datierung der Bronze: Die bei den Ausgrabungen gesammelte Keramik zeigt, dass das Freilichtheiligtum im 11. Jh. in Betrieb war. Dass die Stierbronze in jener staatenlosen, relativ ärmlichen Übergangszeit hergestellt worden sein soll, ist aber unwahrscheinlich. Die meisten Parallelen stammen aus der Spätbronzezeit II (1400-1150 v. Chr.). Sie sind zwar alle viel kleiner, haben aber mehrheitlich und im Unterschied zu älteren Figurinen mit unserem Stück den charakteristischen Buckel gemeinsam. Es ist gut denkbar, dass das Kultbild während der Spätbronzezeit in einem Tempel der Region (z. B. im nahegelegenen Sichem) verwendet, bei dessen Zerstörung im 12. Jh. gerettet und in der anschliessenden Übergangszeit im Rahmen eines Stammeskultes von ‹manassitischen› Sippen weiter gehütet wurde. Im Bild eines Jungstiers haben die Israeliten die Macht ihres Gottes noch bis ins 8. Jh. v. Chr. verehrt. König Jerobeam I. (925-906 v. Chr.) soll im Tempel von Bet-El (an der Südgrenze Israels, nördlich von Jerusalem) und in Dan (an der Nordgrenze Israels) je ein Stierbild errichtet und mit den Worten vorgestellt haben: «Hier sind deine Götter, Israel, die dich aus Ägypten geführt haben» (1 Könige 12,28). 1998 hat man in Dan eine Bronzeplakette aus dem ausgehenden 9. oder 8. Jh. v. Chr. gefunden, die in unbeholfener Ritzzeichnung einen auf einem Stier stehenden Gott und davor einen Verehrer darstellt (Abb. 73a). Die Wertschätzung des Jungstiers als Symboltier des Wettergottes (JHWH, Baal, Hadad) dürfte in erster Linie mit seiner Kampfkraft und Vitalität zusammenhängen. Erst im 8. Jh. v. Chr. hat der Prophet Hosea diesen Kult mit dem Vorwurf «Menschen küssen Kälber» (Hosea 13,2) bekämpft und eine strikte Unterscheidung von JHWH und Baal gefordert. In der Erzählung vom Goldenen Kalb (eigentlich: Jungstier) von Exodus 32 hat die Ablehnung des Stierkult emblematischen Ausdruck gefunden. In Vergleichen blieb die Stiergestalt aber erhalten: «Gott hat sie aus Ägypten geführt. Er hat Hörner wie ein Wildstier» (Numeri 23,22, vgl. 24,8). Literatur zur Diskussion (Auswahl): Schroer 1987: 81-104; Keel/Uehlinger 2001: § 252, 29; Zwickel 1984; Wenning/Zenger 1986; Datierung: Finkelstein 1998; Mazar 1999; Plakette: Biran 1999a.

Parallelen:

Moorey 1971.

Bibliographie:

Mazar 1982: 27-42; Keel/Staubli 2001: 78, Nr. 73.

DatensatzID:

9801

Permanenter Link:

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