Objekt:

 Augenidol, Alabaster, 70 x 34 x 6 mm.

Datierung:

 Anfang Frühbronzezeit (3300-3000).

Herkunft:

 Nordsyrien (wahrscheinlich Tell Brak).

Sammlung:

 Fribourg, Sammlungen BIBEL+ORIENT, VFig 1996.11.

Darstellung:

 Die Figur ist denen von Keel/Schroer 2004: Nr. 12, 13 sehr ähnlich. Die Brustpartie ist aber mit einer doppelten M-förmigen, oben abgerundeten Einritzung versehen. Der Hals ist im Vergleich zu Keel/Schroer 2004: Nr. 12, 13 lang. Im Gegensatz zu Keel/Schroer 2004: Nr. 12, 13 trägt die Figur eine doppelkegelförmige Kopfbedeckung.

Diskussion:

 Diese Figur und die zwei Figuren aus Keel/Schroer 2004: Nr. 12 und 13 aus weißem oder schwarzem Alabaster sind sehr flach und nicht als Statuetten gedacht, da sie nicht stehen können. Wenn sie überhaupt verziert sind, tragen sie das Dekor nur auf einer Seite. Sie wurden wahrscheinlich liegend verwendet oder z. B. in Ton oder Mörtel eingebettet. Typologisch gehört Keel/Schroer 2004: Nr. 12 zu Mallowans Typ 1, zum Standardtyp, dem 90% der gefundenen Stücke angehören. Die hier beschriebene Figur hat Merkmale von Typ 2 (M-förmige Einritzung) und Typ 5 (Kopfbedeckung) (Mallowan 1947: 198). Die großen Augen, die die Figuren charakterisieren, sind oft zusätzlich durch dunkelgrün oder schwarz bemalte Brauen betont. Die Augen sind das Wesen dieser Figürchen. Sie können das Symbol einer Gottheit sein, vielleicht einer Sonnengottheit, die stets als besonders sehend und wissend verstanden wurde. Große und betonte Augen charakterisieren in Nordsyrien und Nordmesopotamien seit dem Neolithikum allerdings auch andere Gottheiten (vgl. Keel/Schroer 2004: Nr. 3 und 6). Überdies zeichnen nicht nur Götter-, sondern auch Beter- und Beterinnenfiguren oft überdimensioniert große Augen aus, weil sie ja in die Tempel gestiftet wurden, um dort immerdar die Gottheit zu schauen (Keel O., ⁵1996c: 287 Abb. 411; Braun-Holzinger 1977: Taf. 1a-d; 3a-g; 4a-f usw.). Die gesuchte Gemeinschaft bestand im Sehen und Gesehenwerden. In Tell Brak nimmt die Augensymbolik jedoch einen Platz ein, der die weit verbreitete Bedeutung der Augen noch übersteigt. Wir gehen so mit der Annahme kaum fehl, in Tell Brak habe eine «Augengottheit» eine zentrale Rolle gespielt. Gleichzeitig suggeriert aber das Vorkommen von Paaren, von Mutter-mit-Kind-Darstellungen (Mallowan 1947: pl. 51,19-21.40-42) und von allerhand Eigenheiten, die am besten als Statussymbole zu deuten sind, dass wir Bilder von Betern und Beterinnen vor uns haben. Interessant ist, dass in diesem Kult die Zugehörigkeit zum einen oder anderen Geschlecht von geringer Bedeutung war und in der Regel nicht eigens markiert wurde. Die Antwort auf die Frage Gottheit oder Verehrende besteht wohl darin, dass letztere sich in einer Weise der verehrten Gottheit angepasst haben, dass sie in deren Gestalt erscheinen, wie jeder und jede Tote in Ägypten zu Osiris wurde. Da die große Masse der «Augenidole» vom Tell Brak stammt und dort in einer Schicht gefunden wurde, die in die zweite Hälfte des 4. Jahrtausends datiert, sind auch Keel/Schroer 2004: Nr. 13 und die hier beschriebene Figur wohl dort anzusiedeln.

Parallelen:

Mallowan 1947: pl. 51:38: Kopfbedeckung; Mallowan 1947: pl. 51:10, 16: Körperform; Mallowan 1947: pl. 51:13, 15: M-förmige Einritzung; vergleiche auch: nordsyrischer Stil (Tall Brak).

Bibliographie:

Keel 2003a: 128f, Nr. II:5; Keel/Schroer 2004: 60f, Nr. 14.

DatensatzID:

743

Permanenter Link:

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