Objekt:

 Mykenisches Idol, Ton, 11,4 x 4,5 x 3,2 cm.

Datierung:

 Späthelladisch IIIB-Späthelladisch IIIC (1250-1150) (zuletzt gebrannt vor 2400 bis 3800 Jahren).

Herkunft:

 Mykene (?), Fundkontext unbekannt (Schroer 2011: aus dem Handel) (wahrscheinlich).

Sammlung:

 Fribourg, Sammlungen BIBEL+ORIENT, VFig 1995.9.

Darstellung:

 Weibliche Pfeilerfigur, die unten in eine runde konkave Basis ausläuft. Der Oberkörper ist in Form einer flachen Scheibe gearbeitet, aus der die Brüste direkt herausmodelliert sind. Auch der kurze Hals und der Kopf mit dem vogelähnlichen Gesicht wachsen – als Fortsetzung und Abschluss der Kreisform – organisch aus dieser Scheibe heraus, die den armlosen Oberkörper bildet. Das gilt auch für die Ohren, die lediglich durch eine kleine Ausbuchtung angedeutet sind, während die überbetonte vorspringende Nase plastisch herausgearbeitet wurde. Die Kante der Nase sowie die des Oberkopfes sind bemalt, einige schwache Bemalungsspuren sind noch am dreieckförmigen Oberteil des Kopfes ersichtlich. Der Raum zwischen der langen schmalen Nase und den Ohrenausbuchtungen ist ganz von den kreisförmig aufgemalten Augen (Umrisse und Pupille) ausgefüllt. Der Oberkörper ist vorne und hinten mit senkrechten, wellenartigen, orange-rötlichen Streifen bemalt, die am Hals und Gürtel durch ein waagerechtes Band abgegrenzt sind.[Ergänzter Text von Schroer 2011: ... vielleicht ist auch ein Halsschmuck angedeutet. Der Unterkörper ist säulenartig stilisiert.] Auf dem Unterteil verlaufen, unregelmäßig zwischen Gürtel und Basis aufgemalt, vier senkrechte Streifen (vorne und hinten in der Mitte sowie an beiden Seiten).

Diskussion:

 Die Figur gehört zum sogenannten Φ-Typ (French 1971: 116f), d. h. der Oberkörper ist scheibenförmig, der untere Teil pfeilerartig und trägt nur einige breite, senkrecht aufgemalte Streifen, die Augen sind gemalt. Das Exemplar ist kanonisch für diesen von French beschriebenen Typ, der eigentlich eine Stilisierung seiner Urform darstellt. Der Prototyp (French 1971: 112f) weist normalerweise auch Arme in Form von Ausbuchtungen auf, die den nach und nach scheibenförmig werdenden Körper begrenzen. Die linke Hand liegt zwischen den Brüsten und die rechte auf dem Bauch. Im Φ-Typus hingegen sind die Arme in den Oberkörper integriert. Frauenfiguren dieses Typs stammen größtenteils aus Mykene, sind aber auch an verschiedenen anderen Orten ans Licht gekommen und zumindest im Norden bis an die östliche Mittelmeerküste gelangt, so z. B. nach Ugarit (French 1971: 187). Aus Palästina/Israel sind bis heute keine solchen Figuren bekannt. In Hazor ist ein Stück des Übergangstypus vom Φ- zum Ψ-Typ gefunden worden (Yadin et al. 1960: pl. 179,7). Die Statuetten vom Φ- und Ψ-Typ stammen hauptsächlich aus zwei archäologischen Fundkontexten: Privathäusern und Gräbern. Einige Stücke könnten aus Hausschreinen und Votivdepots kommen, aber diese sakralen Kontexte sind nicht eindeutig. Da die Figuren hauptsächlich in Kindergräbern gefunden wurden, hat man den Φ-Typus als göttliche Pflegerin und den Ψ-Typus als eine segnende Gottheit identifiziert. Diese Figürchen sollten mit den Tierfiguren, mit denen zusammen sie gefunden wurden, die Kinder während ihrer Reise in die Unterwelt begleiten und schützen. Eine profane Deutung als Spielzeuge ist nicht ganz auszuschliessen. Ulrich Hübner (1992b: 92-97) führt Gründe dafür an, dass ein- und dasselbe Objekt als Göttinnendarstellung und als Spielzeug dienen konnte.

Parallelen:

French 1971: pl. 16:a, b: ausser dem Zopf; Robinson 1950: pl. 6:1, 2: ausser dem Zopf bei pl. 6:1; vergleiche auch: mykenischer Stil.

Bibliographie:

Keel 2003a: 135f, Nr. II:16; Keel/Schroer 2004: 142f, Nr. 112; Ramseyer et al. 2004: Nr. 055 (Figur links); Keel 2008: 57, Nr. 60; Schroer 2011: 286f, Nr. 835.

DatensatzID:

815
  

Permanenter Link:

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