Objekt:

 Figurine, Ton, 15 x 6 x 6 cm.

Datierung:

 Keramisches Neolithikum (6400-5800) (Jarmuk-Kultur).

Herkunft:

 Munchata, Fundkontext unbekannt (15 km südlich vom See Gennesaret).

Sammlung:

 Fribourg, Sammlungen BIBEL+ORIENT, VRep 1999.1.

Darstellung:

 Die sitzende Frau stützt mit der linken Hand die relativ kleinen Brüste, die rechte Hand stemmt sie in die Hüftpartie. Typisch für diese Figur, die in derselben Tradition wie die Figuren von Keel/Schroer 2004: Nr. 1, 2, 3, 4 steht, sind die spitze Kopfform, die kaffeebohnenförmigen Augen, die an die Muschelaugen dekorierter neolithischer Schädel und Masken erinnern oder nach Tamar Noy Getreidekörner andeuten (Noy 1990), die prominente Nase, das Fehlen des Mundes und des Halses und vor allem der Körper, der aus einzelnen Tonklümpchen zusammengesetzt ist. Das vermittelt den Eindruck von Fleischwülsten, die zusammen mit dem mächtig ausladenden Gesäß der Figur große Üppigkeit verleihen (vgl. auch Keel/Schroer 2004: Nr. 16, 17).

Diskussion:

 Diese Figur ist etwa zeitgleich mit den Figuren aus Keel/Schroer 2004: Nr. 2-4
Keel/Schroer 2004:
Nr. 2
Nr. 3
Nr. 4
. Geographisch ist sie typisch für das Gebiet unmittelbar südlich vom See Gennesaret (Scha˓ar ha-Golan, Munchata), für die sogenannte Jarmuk-Kultur. Was stellen diese Figuren dar? Handelt es sich um die Darstellungen einer Göttin oder einer Verehrerin? Was war ihr Zweck? Vorerst ist festzuhalten, dass es sich bei allen Stücken dieser Gattung um weibliche Figuren handelt. Männliche Figuren aus dieser Zeit sind extrem selten und dann nicht sitzend, sondern stehend dargestellt (Cauvin 1994: 120.145; Noy 1990: 229). Die Weiblichkeit wird nicht durch die Betonung der Scham, sondern durch schwere Brüste und üppige Schenkel, bei Keel/Schroer 2004: Nr. 5 durch ein massives Gesäß betont. «Sie setzen sichere Nahrungsversorgung und -speicherung als Grundwert voraus, ihr Aufkommen begleitet den Übergang von der Jäger- zur Ackerbaukultur und die Konsolidierung der letzteren» (Uehlinger 1998b: 54). Die Jäger- und Sammlerkulturen hatten enorme Mühe, die Nahrungsversorgung sicherzustellen. Die neolithische Revolution stellte durch den Übergang vom bloßen Sammeln der Nahrung zur aktiven Förderung der Produktion einen großen Fortschritt dar. Vor allem die Frauen haben dadurch gewonnen. Biologische Gegebenheiten (Schwangerschaft, Säuglinge) haben den Frauen bei der Arbeitsteilung die kleinräumigen Tätigkeiten, den Männern die weiträumigen (Großwildjagd, Karawanenhandel, Krieg) zugewiesen. Die neolithische Revolution wertete die kleinräumige Tätigkeit der Frauen auf und begünstigte die Sesshaftwerdung. Endlich konnten sich Frauen – wenigstens die «fortschrittlichsten» – satt essen. Die bequeme sitzende Haltung, die ungewöhnliche Kopfbedeckung, vor allem aber die aktive Präsentation der Brüste, dieser Quellen erotischer Lust und kraftvoller Weitergabe des Lebens (vgl. dazu den Kommentar nach Keel/Schroer 2004: Nr. 158) scheinen darauf hinzuweisen, dass es sich um die Darstellungen einer Göttin oder mindestens einer bedeutenden Ahnfrau handelt. Der Zweck der Figuren war, ihren Besitzerinnen und Besitzern die Vitalität und Lebensmacht der Göttin bzw. Ahnfrau zu vermitteln.

Parallelen:

Mellaart 1967: 184, fig. 53, pls. 79; Mellart 1970: II pl. 158; Noy 1990: 227, fig. 1:1; Garfinkel 1999: 50-57, 54f, 60f, 68f: vollständige Figur - unbekannte Herkunft; Yizraeli-Noy 1999: 53, 56f, 62-64, nos. 46-49; Garfinkel 2002: 258-264; Mellink/Filip 1974: Nr. 8:a-b: ähnliche sitzende Frau, die die Brüste präsentiert - Çatal Höyük, Anatolien, spätneolithisch; Mellaart 1967: 182, fig. 50: ähnliche sitzende Frauen, die die Brüste präsentieren - Anatolien, spätneolithisch; Mellart 1970: II pl. 157b: ähnliche sitzende Frauen, die die Brüste präsentieren - Haçilar, Anatolien, spätneolithisch; Mellaart 1967: 182, fig. 50: andere Position, z. B. die am Boden Sitzende mit den Händen auf den leicht angezogenen Knien; Mellink/Filip 1974: Nr. 8b: andere Position, z. B. die am Boden Sitzende mit den Händen auf den leicht angezogenen Knien; Mellart 1970: II 476-480: hohe Kopfbedeckung; Stern 1993: IV 1341: Köpfe ähnlicher Figuren - Munchata und Scha˓ar ha-Golan; Garfinkel/Miller 2002: 188-233: Scha˓ar ha-Golan.

Bibliographie:

Perrot 1967: 63-67, Taf. 6b; Mellink/Filip 1974: Nr. 117; Perrot 1979: fig. 34; Israeli/Tadmor et al. 1986: Nr. 10; Weippert 1988: 115, Abb. 2:24; Ben-Tor et al. 1992: pl. 6; Stern 1993: III 1050, 1116; Yizraeli-Noy 1999: 53-55, Nr. 39; Keel/Schroer 2004: 48f, Nr. 5; Keel 2008: 37, Nr. 23.

DatensatzID:

735

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