Objekt:

 Figurine, Ton, 4,4 x 13 cm.

Datierung:

 Mittleres Reich (1950-1650).

Herkunft:

 Ägypten.

Sammlung:

 Fribourg, Universität Fribourg.

Darstellung:

 Die Figur weist viele Ähnlichkeiten mit Keel/Schroer 2004: Nr. 37 auf. Im Gegensatz zu Keel/Schroer 2004: Nr. 37 ist die aufwändige Frisur hier in verschiedenen Materialien ausgeführt. Die senkrechten Striche auf der Stirn müssen wohl wie bei Keel/Schroer 2004: Nr. 37 als Haarsträhnen verstanden werden. Augen, Nase und Mund sind rudimentär. Das Gesicht geht nahtlos in den starken Hals über, dessen Ansatz durch ein Halsband unterstrichen ist. Der Körper ist schlank und mädchenhaft. Er wird von den schematisch ausgeführten Armen eingerahmt. Die Schultern sind ungewöhnlich breit und die ganze Figur verengt sich nach unten, so dass sie die Form eines spitzen Dreiecks annimmt, das die des stark betonten Schamdreiecks variiert. Die Hände liegen an den Oberschenkeln. Die Brüste sind plastisch gestaltet; Nabel und Scham durch Einritzungen markiert. Über dem durch Punkte angedeuteten Gürtel (Tätowierung?) liegt ein zweiter aus schwarzen und weißen Stein(?)-Perlen. Wie bei Keel/Schroer 2004: Nr. 37 und Keel/Schroer 2004: Nr. 42, 43, 44, 45 verleiht der Schmuck der Nacktheit eine besondere Attraktivität.

Diskussion:

 Frauenfiguren wie diese und Keel/Schroer 2004: Nr. 36, 37, 39, 40 sind in Gräbern, aber auch in Wohnhäusern und besonders häufig als Votivgaben in Hathortempeln gefunden worden (Pinch 1993: 198-234). Die in der Literatur gerne als «Beischläferinnen» oder «Konkubinen» bezeichneten Figuren stellen jugendliche Weiblichkeit dar (Bruyère 1939: 127-132). Da die verschiedenen Typen, wenn auch selten, mit Kind vorkommen, möchte sie Geraldine Pinch weiterhin mit dem von den ersten – puritanischen – Entdeckern solcher Figuren verwendeten Ausdruck «fertility figurines» bezeichnen. Der Fruchtbarkeitsaspekt ist nicht auszuschließen. Auf einer der Figuren vom Typ Keel/Schroer 2004: Nr. 39, 40 ist auf dem Oberschenkel zu lesen: «Möge eurer Tochter Seh eine Geburt gewährt werden!» (Desroches Noblecourt 1953: 34-36 Fig. 14). Im Vordergrund steht bei diesen Figuren aber doch ihre durch Nacktheit, kunstvolle Frisuren, Schmuck und Tätowierungen generierte erotische Attraktivität. Das bestätigt die enge Verbindung zu Hathor, die im Gegensatz zu Isis stärker mit Erotik, Lebenslust und –freude verbunden ist als mit Fruchtbarkeit. Für den männlichen Blick sollen die Figuren Empfänglichkeit für diesen Aspekt der Frau hervorrufen und befriedigen; tote Männer sollen sie der Lethargie entreißen und zu neuer Lebensfreude und –kraft animieren wie Hathor im Mythos dem alten und müden Sonnengott dadurch, dass sie sich entkleidet und ihre Scham sehen lässt, neue Schöpferkraft zuführt (Junge 1995: 938; vgl. weiter die Kommentare nach Keel/Schroer 2004: Nr. 50 und 65). Desroches Noblecourt 1953 möchte die Bedeutung dieser Figuren aufgrund gewisser, allerdings nicht ganz eindeutiger Indizien stärker in den Kontext des Isis-Osiris Mythos stellen, nach dem die Gattin vom toten Osiris einen Sohn empfängt, da erst der Tote in der Lage ist, seine ganze Kraft dem Sohn weiterzugeben, der dann als Horus die Interessen seines Vaters wahrnimmt. Richtig zu überzeugen vermag diese Deutung nicht. Im Hinblick auf Frauen sollten diese Figuren sie in das verwandeln resp. ihnen magisch das zuteil werden lassen, was diese Figuren auszeichnet, nämlich ihre erotische Attraktivität, die im Falle des Todes vorerst verloren gegangen ist. Im Alten Reich waren Figuren der Art, wie sie die hier beschriebene Figur und Figuren aus Keel/Schroer2004: Nr. 36, 37, 39 und 40 repräsentieren und wie sie in der prähistorischen und protodynastischen Zeit häufig waren, aus Ägypten verschwunden, «wohl unter dem Zwang zur ‹Ordnung› und dem Bestreben alle ‹chaotischen› Mächte (zu denen auch die Erotik gehört hat) zu negieren» (Helck 1975: 684).

Parallelen:

Petrie 1927: pl. 52:408; Priese/Arnst 1991: 65f, Nr. 42 (rechts); Pinch 1993: 201-203: «type 3»; Desroches-Noblecourt 1953: 7-11: «type Edfou».

Bibliographie:

Page Gasser/Wiese 1997a: 95, Nr. 58; Keel/Schroer 2004: 84f, Nr. 38.

DatensatzID:

764

Permanenter Link:

  http://www.bible-orient-museum.ch/bodo/details.php?bomid=764