Objekt:

 Relief, Ton, 51 x 82 cm.

Datierung:

 Althethitisch (15. Jh.).

Herkunft:

 Inandiktepe, Raum 3 eines Gebäudes der althethitischen Schicht IV, zusammen mit anderen Vorratsgefäßen.

Sammlung:

 Ankara, Museum of Anatolian Civilizations.

Darstellung:

 In außergewöhnlicher Ausführlichkeit beschreibt diese reliefierte Vase (insgesamt sechs Reliefbänder, davon vier bebildert) zusammenhängend verschiedene Aspekte eines von der Levante bis Anatolien beheimateten Kultes, die sonst nur einzeln oder in kleiner Auswahl auf einem Bildträger erscheinen (ausführlich zu allen Details Özgüç 1988: 84‑106). Die narrative Gestaltung der Szenenbänder knüpft an ältere Traditionen an (vgl. die Uruk‑Vase mit Szenen aus dem Kult der Inanna bei Schroer/Keel 2005: Nr. 192). Zum Kult gehören thematisch Musik, Tanz, Sexualität, Libationen und Darbringungen von Gaben, Schlachtopfer, ein Stierbild und ein festliches Bankett. Die Bildszenen auf den vier Bändern stehen ohne Zweifel in Beziehung zueinander, sind aber nicht chronologisch, sondern eher parataktisch zu lesen. Durch die Anordnung der Figuren auf jedem Band ergibt sich eine Betrachtung von links nach rechts, wobei jeweils ganz rechts zentrale Szenen dargestellt sind, die auf der runden Vase teilweise übereinander stehen. Eine Lesefolge von unten nach oben oder von oben nach unten scheint nicht festgelegt. Die einzelnen Bänder stellen in sich geschlossene Abläufe dar. Es lassen sich gut Gruppen von Personen eruieren, die wiederum kleine Einheiten auch innerhalb eines Reliefbandes bilden. Die Beschreibung führt im Folgenden von links nach rechts und von unten nach oben. Unterstes Register: Eine stehende Frau rührt mit einem Stock in einem großen Krug. Vor ihr stehen drei solche Krüge und ein kleiner mit einem Henkel. Es folgt eine kleine Orchestergruppe mit einem Lautenspieler (Schroer 2008: Nr. 495, 496), zwei Personen in langen Gewändern, die sich gegenüberstehen und wahrscheinlich in die Hände klatschen, zwei Männer, die stehend die Saiten einer monumentalen Standleier zupfen. Ihr Rahmen ist mit Geier‑ und Schlangenköpfen verziert, wie im Folgenden auch alle kleineren Leiern. Es folgt eine kultische Bankettszene (Schroer 2008: Nr. 437, 438, 487, 488, 489, 490, 491, 492, 493, 494, 495, 496, 497, 498, 499). Zwei Personen sitzen sich mit kleinen Schalen in den Händen auf Schemeln gegenüber. Von der Art Krüge, in denen die Frau links rührt, steht einer zwischen ihnen, außerdem ein Opferständer. Die Person rechts ist durch den erhöhten Schemel als die bedeutendere von beiden gekennzeichnet. Zum Bankett spielt ein Mann auf einer Handleier. Ganz rechts ist in einer weiteren «Küchenszene» eine kleine Dienergestalt beim Hantieren mit Krügen oder Töpfen zu sehen, die am Boden oder in einer Feuerstelle zu liegen scheinen. Der Mann trägt einen runden Gegenstand (Sack, Schlauch?), über ihm scheinen weitere Geräte aufgehängt. Zweites Register: Ein Mann nähert sich mit einem Kännchen einer thronenden Gestalt, um vor ihr ein Opfer auszugießen. Ganz links ist ein Leierspieler zu sehen, dessen Instrument von einer kleinen Dienerfigur gestützt werden muss. Bei der Thronenden scheint es sich um dieselbe Figur wie im unteren Register zu handeln. Sie sitzt auf demselben Schemel in derselben Haltung vor einem Opfertischchen. Eindeutige Götterattribute trägt sie nicht. Eine Prozession von Männern bewegt sich nach rechts. Zwei halten Opferständer in den Händen. Ein Mann führt eine Gruppe von vier Personen an. Vielleicht ist es derselbe, der dann zur Opferung vor ein Stierbild tritt, das auf einem Podest steht. Zur Musik eines Leierspielers schlachtet in dieser Szene ein Mann ein am Boden liegendes Rind, wohl einen Stier. Drittes Register: Ein Zug von MusikantInnen und vielleicht GabenträgerInnen bewegt sich nach rechts. Frauen schlagen die Handtrommel (Schroer 2008: Nr. 496), ein Mann spielt die Leier, dazwischen sind Personen zu sehen, die verschiedene nicht identifizierbare Dinge in den (erhobenen) Händen tragen. MusikantInnen scheinen auch die Figürchen auf dem hohen Podest rechts darzustellen, darunter eine Handpaukenspielerin, wie sie erst in der Ikonographie der E‑Zeit häufig anzutreffen sein wird. Vielleicht handelt es sich um die Beterfigürchen, die zur ewigen Anwesenheit vor der Gottheit im Tempel aufgestellt wurden. Die Szene rechts ist durch einen überdimensional großen Opfertisch bzw. Altar und einen Krug vom Übrigen abgetrennt. Das hohe Bett, auf dem ein Mann eine Frau entschleiert, dürfte sich im Tempel oder jedenfalls kultischen Bereich befinden, der durch Altar und Krug signalisiert ist. So wie bei der Verehrung und Opferung vor Stierbild und Gottheit darunter, handelt es sich bei der «Bettszene» (Schroer/Keel 2005: Nr. 210, 211) um ein zentrales Element der kultischen Vollzüge. Oberstes Register: Wiederum bewegt sich ein Zug von Frauen und Männern von links nach rechts. Ein Leierspieler, Handtrommlerinnen, eine klatschende Choreographin oder Vorsängerin, Akrobatinnen und ein Lautenspieler sind zu erkennen. Die tänzerischen Darbietungen der Akrobatinnnen (Schroer 2008: Nr. 490, 492, 492) werden vielleicht von den MusikantInnen links rhythmisch oder singend begleitet. Der Lautenspieler in der rechts anschließenden Szene wird anscheinend von zwei ihn rahmenden Trommlerinnen begleitet. Ganz rechts vollzieht ein Mann stehend mit einer vornübergebeugten Frau den coitus a posteriori (Schroer/Keel 2005: Nr. 209, Schroer 2008: Nr. 493, 494). Die Koitusdarstellung ist genau über der Paarszene auf dem Kultbett angeordnet. Wahrscheinlich ist sie als Mitvollzug oder Stimulation des sakralen Geschehens gedacht. Das obere Register stellt weniger einen kultischen Vollzug im Bereich eines Heiligtums dar, eher ein Volksfest mit sakralem Charakter.

Parallelen:

Seibert 1973: Taf. 40: aus Bitik stammt ein bemaltes Krugfragment von einem rotwandigen Krug mit einer Entschleierungsszene. Ein Mann und eine Frau sitzen sich gegenüber. Der Mann scheint der Frau gerade den Schleier vom Gesicht weggezogen zu haben; Orthmann 1975: 434, Nr. 368: aus Bitik stammt ein bemaltes Krugfragment von einem rotwandigen Krug mit einer Entschleierungsszene. Ein Mann und eine Frau sitzen sich gegenüber. Der Mann scheint der Frau gerade den Schleier vom Gesicht weggezogen zu haben; Woman in Anatolia 1993: 100f, A 127: aus Bitik stammt ein bemaltes Krugfragment von einem rotwandigen Krug mit einer Entschleierungsszene. Ein Mann und eine Frau sitzen sich gegenüber. Der Mann scheint der Frau gerade den Schleier vom Gesicht weggezogen zu haben.

Bibliographie:

Özgüç 1988: fig. 64f, pls. D4, F-L1-2, M2, 36-59; Hrouda 1991: 88f; Özgüç et al. 2002: 250-253, Abb. 2-5:7; Schroer 2008: 240-242, Nr. 476.

DatensatzID:

33797

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